FEST DER LIEBE
Weihnachtszeit. München. Die Straßen und öffentlichen Verkehrsmittel voller Menschen. Jeder scheint vor dem Heiligen Abend noch schnell irgendwohin zu müssen, je langsamer umso schlechter. Die meisten wirken hektisch, angespannt wie ein Seil über einem tiefen Gletscherspalt.
Straßenbahn 27 vom Sendlinger Tor in Richtung zu den Pinakotheken. Keine Sitzplätze mehr, die Menschen drängen sich dicht zusammen und stieben wieder auseinander sobald nur ein wenig mehr Platz zur Verfügung steht, was aber meistens nur für kurze Zeit der Fall ist - steigen Passagiere aus, kommen sofort andere an deren statt nach. (Ein Bild, das Schopenhauer vor sich gehabt haben könnte, als er seine Stachelschweinparabel schrieb, hätte es seinerzeit schon Straßenbahnen gegeben.)
Unterwegs von Station zu Station, bis in einer davon eine Durchsage des Fahrers ertönt: Aufgrund eines technischen Defekts muss ich Sie, verehrte Fahrgäste, bitten, in den nächsten Triebwagen umzusteigen. Tut mir leid.
Die Durchsage wird wiederholt. Erstes Raunen und Unmutsäußerungen. Eine Dame meint: Eine Frechheit, ich habe einen wichtigen Termin! Ein Herr: Diese scheiß Verkehrsbetriebe, nie verlässlich!
Die Passagiere steigen aus und eilen zum Ersatzwagen. Einer meint: Wie die Schafe … Ein anderer will oder kann sich nicht beruhigen: Schuld daran ist die rot-grüne Regierung, stellen nur arbeitsscheues Gesindel an. Die Tram fährt los, vielleicht mit 10 Minuten Zeitverlust. In den meisten Gesichtern: Ärger, aber mittlerweile auch wieder Zurückhaltung. Jemand räsoniert: Ja, ja, Weihnachten, das Fest der Liebe!
Beim nächsten Halt. Jener, der sich nicht beruhigen konnte oder wollte, steigt aus, nicht aber ohne in die Menge zu sagen, nicht leise, nicht laut: Die müssten alle vergast werden.
Pinakothek der Moderne
die Fußspuren im Schnee
verfroren
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