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bregengemme

ÜBER DEN WOLKEN



Zwischenlandung, Flughafen Zürich. Ich gehe weitläufige Transit-Korridore entlang, fahre Rolltreppen hinauf und hinab, bis ich in jenem Bereich ankomme, wo das “boarding” für meinen Flug nach Dallas, Texas stattfindet.
Seit dem 11. September 2001 sind die Sicherheitsbestimmungen für Reisen in die USA sehr streng. Ich werde, wie die anderen Passagiere auch, an einen Schalter gebeten, wo ein älterer Herr, in “American English”, Fragen stellt: “Warum reisen Sie in die USA? Wie lange bleiben Sie? Was sind Sie von Beruf? Haben Sie ihre Koffer selbst gepackt?
Ich beantworte alle Fragen wahrheitsgemäß, vorsichtig darauf bedacht, keinerlei Anlass für irgendwelche Verdächtigungen zu geben.
Vielleicht habe ich in meinem Leben schon zu oft gelogen; und vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich nach all diesen Fragen das Gefühl habe, man misstraue mir und es sei richtig so.
Ich besteige die Maschine der British Airways nach Übersee. Die Flugbegleiterinnen lächeln mich höflich an, und bald schon habe ich meinen Platz gefunden: ich sitze neben einem jungen Mann, ungefähr Mitte zwanzig und mit dunklem Teint. Er hört Musik aus einem tragbaren CD-Player und nimmt mich nur peripher wahr.
Das Flugzeug hebt ab, löst Gedanken aus, an meine Destination, die Seattle im Nordwesten der USA sein wird. Zum ersten Mal reise ich nach Nordamerika. Was wird mich erwarten, was werde ich erleben?
 


“Über den Wolken
muss die Freiheit wohl …”
 


Irgendwann nimmt der junge Mann neben mir seine Kopfhörer ab, und da noch an die zehn Flugstunden zu bewältigen sind, nutze ich die Chance, ein Gespräch mit ihm zu beginnen.
“Where are you from?” frage ich auf Englisch, wie es in internationalen Zonen à la Flugzeug üblich ist .
“Texas”, antwortet er und nennt auch eine Kleinstadt in der Nähe von Houston, aus der er stammt.
Ein Gespräch entwickelt sich. Er sei Soldat und habe zwei Jahre lang in Deutschland gedient. Jetzt kehre er wieder in die USA zurück, weil seine Dienstzeit in Deutschland erfüllt sei. Es habe ihm sehr gefallen. Freundliche Menschen.
Er erzählt, dass er ein wenig Angst vor der Rückkehr habe,  zumal er seine Familie schon lange nicht mehr gesehen habe und außerdem sein Militärdienst überhaupt zu Ende sei. Er wisse nicht, was er tun solle. „Education is the most important thing!”
Er habe keine Ausbildung abgeschlossen, sei anstatt aufs College zur Army, was für viele junge Männer mexikanischer Herkunft die einzige Berufsaussicht sei.
Ich pflichte ihm bei und versuche ihn zu ermutigen. Ich erzähle ihm, dass ich nie beim Militär gewesen sei, weil es in Ländern wie Österreich möglich ist, sich für einen Sozialdienst zu melden. Ich könne mir gar nicht vorstellen, wie es beim Heer sei und schon gar nicht für so lange Zeit. Überhaupt unvorstellbar sei es für mich, an einen Kriegseinsatz zu denken, wie zum Beispiel im Irak.
Sein Gesicht wird merklich ernster. Er schweigt und sagt dann: : „I’ve been to Iraq.“
Vorsichtig frage ich ihn, wie es dort gewesen sei?
“Die Kameradschaft unter den Soldaten ist das Wichtigste. Wenn du auf sie nicht vertrauen kannst, bist du tot.”
Er schweigt. Obwohl ich gerne mehr erfahren würde, merke ich doch, dass er nicht mehr dazu sagen möchte. Ich hake also nicht nach. Für mich, der ich in den 1970iger Jahren in Österreich aufgewachsen bin, zählt Krieg bis heute zu etwas, das nur meine Großelterngeneration betroffen hat und nur noch im Fernsehen vorkommt.
Der junge Mann aus Texas aber war im Krieg.
Er zieht seine Kopfhörer wieder über, um sie erst in Dallas, Texas, abzunehmen …

 

Über den Wolken
im Schlaf verschiebt sich
die Zeit