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bregengemme

HAIBUN



Das Internet ermöglicht eine Art der Kommunikation, wie sie vorher nicht annähernd möglich war. Zu jedem erdenklichen Thema werden Foren ins Leben gerufen, so dass man sich mit Gleichgesinnten weltweit austauschen kann, worüber auch immer, ganz ohne nationale Grenzen.
Nun habe ich kürzlich begonnen, mich für Haiku zu interessieren und mich mit Menschen in anderen Ländern darüber zu unterhalten, und das via Internet.
Zu einem Japaner ist ein besonders reger Kontakt entstanden. Wir diskutierten über diverse Haiku-Fragen, und fingen auch bald an, persönliche Nachrichten zu senden.
So vertraute er mir an, dass er als Witwer in Sapporo lebe und in den 50iger Jahren in Deutschland in einem Bergwerk gearbeitet hatte, wo er Deutsch lernte und die dortige Kultur zu schätzen; es sei seine zweite Heimat geworden. Vor kurzem habe er den Tod seiner Schwiegertochter, Mitte dreißig, beklagen müssen. Zur Zeit sei er nicht gesund, aber er hoffe auf Besserung mit dem nahenden Frühling.
Wir begannen damit, einen japanischen Haiku-Poeten ins Deutsche zu übersetzen. Außerdem übertrug er einige meiner Haiku ins Japanische und veröffentlichte sie auf seiner Website. Solche Aufgaben lehren vieles über des jeweils anderen Denk- und Wahrnehmungsweise, sie schaffen Vertrautheit, man lernt einander kennen.
Trotz unserer regelmäßigen Korrespondenz, der Kenntnis seiner ästhetischen Vorlieben und Lebenssituation, seines Alltags, hatte ich allerdings außer seinen Namen und seiner E-mail-Adresse keine anderen Daten, weder seine Postanschrift noch seine Telefonnummer noch sein Geburtsdatum.
Nachdem unsere Projekte abgeschlossen waren, entstand eine Pause, in der wir nichts von einander hörten, bis ich ihm eines Tages wieder schrieb.

Email
An meinen japanischen Freund
Unzustellbar

Ich erhielt nie wieder eine Nachricht von meinem virtuellen Freund aus Japan.